LiebesgedichteLiebesgedichte

Eine Liste beliebter Gedichte - Klassiker als auch moderne; sowohl kurz als auch lang - und manche sind auch lustig.

Auch Du

Es läuft die Zeit mit raschem Fuß
von Stundenschlag zu Stundenschlag.
Es eilt die Zeit mit flücht'gem Gruß
vorbei und fädelt Tag an Tag

und reiht behutsam Jahr um Jahr
wie Perlen auf an einer Schnur,
bis weiße Fäden zeigt dein Haar
und Herbstzeitlose trägt die Flur

und bis zum Abendsonnenglanz
du dich besinnst und plötzlich weißt,
dass auch der kleinsten Mücke Tanz
beschlossen ist in ew'gem Geist,

dass jeder Ring sich einmal schließt,
dass Glied um Glied die Kette hält
und dass auch du ein Rad nur bist
im großen Räderwerk der Welt.

Hilda Bergmann (1878 – 1947)

Wir sprechen nur deshalb soviel, weil wir uns nicht ausdrücken können. [Rahel Varnhagen von Ense (1771 - 1833)]

Die Hummel

Bepelztes Tierchen, dein Gebrumm
Ist guter Ding‘. Im Kopf herum
Geht dir, es sei so gut zu sein,
So warm im Wiesensonnenschein;

Gemächlich, Hummel, sei der Raub
Am unverwehrten Blumenstaub.
Bald trinkst du dich an Honig stumm,
Bald fällst du neu in dein Gebrumm!

Karl Mayer

Die Sternschnuppe

Wißt ihr, was es bedeutet,
Wenn von dem Himmelszelt
Ein Stern hernieder gleitet
Und schnell zur Erde fällt?

Die Lichter, die dort glänzen
Mit wundermildem Schein,
Das sind in Strahlenkränzen
Viel tausend Engelein.

Die sind als treue Wachten
Am Himmel aufgestellt,
Daß sie auf Alles achten.
Was vorgeht in der Welt.

Wenn unten auf der Erde
Ein guter Mensch, gedrückt
Von Kummer und Beschwerde,
Voll Andacht aufwärts blickt,

Und sich zum Vater wendet
In seinem tiefen Weh,
Dann wird herabgesendet
Ein Engel aus der Höh',

Der schwebt in seine Kammer
Mit mildem Friedensschein
Und wieget seinen Jammer
In sanften Schlummer ein.

Das ist's, was es bedeutet,
Wenn von dem Himmelszelt
Ein Stern herniedergleitet
Und schnell zur Erde fällt.

Friedrich von Sallet; Aus der Sammlung: Naturleben und junge Liebe

Kant

Eines tags geschah es Kant,
daß er keine Worte fand.

Stundenlang hielt er den Mund,
und er schwieg – nicht ohne Grund.

Ihm fiel absolut nichts ein,
drum ließ er das Sprechen sein.

Erst als man zum Essen rief,
wurd er wieder kreativ,

und er sprach die schönen Worte:
„Gibt es hinterher noch Torte?“

Robert Gernhardt

Doppelmoppel

Der Herr von Doppelmoppel
Hat alle Dinge doppel.

Er hat ein Doppelkinn
Mit Doppelgruebchen drin.

Er fuehrt ein Doppelleben,
Das zweite stets daneben.

Er hat ein Doppelweib
Zum Doppelzeitvertreib.

Der Herr von Doppelmoppel
Hat eben alles doppel.

Kurt Schwitters

Die unzufriedene Straßenbahn

Sie hasste die gewohnte Strecke,
sprang aus dem Schienenstrang heraus
und wollte endlich einmal geradeaus,
statt um die Ecke.

Ein Unglück gab’s. Und keine Reise.
Erinnert euch, bis ihr es wisst:
Wenn man als Straßenbahn geboren ist,
dann braucht man Gleise.

Erich Kästner

Manchmal

Manchmal, wenn ein Vogel ruft
oder ein Wind geht in den Zweigen
oder ein Hund bellt im fernsten Gehöft,
dann muß ich lange lauschen und schweigen.

Meine Seele flieht zurück,
bis wo vor tausend vergessenen Jahren
der Vogel und der wehende Wind
mir ähnlich und meine Brüder waren.

Meine Seele wird Baum
und ein Tier und ein Wolkenweben.
Verwandelt und fremd kehrt sie zurück
und fragt mich. Wie soll ich Antwort geben?

Hermann Hesse

Optische Täuschung

Ein Mensch sitz stumm und liebeskrank
mit einem Weib auf einer Bank;
Er nimmt die bittre Wahrheit hin,
dass sie zwar liebe, doch nicht ihn.

Ein andrer Mensch geht still vorbei
und denkt , wie glücklich sind die zwei,
Die – in der Dämmerung kann das täuschen –
hier schwelgen süß in Liebesräuschen.

Der Mensch in seiner Not und Schmach
schaut trüb dem dem anderen Menschen nach
und denkt, wie glücklich könnt ich sein,
Wär ich so unbeweibt allein.

Darin besteht ein Teil der Welt,
dass andre man für glücklich hält.

Eugen Roth


Wir müssen bereit sein,
uns von dem Leben zu lösen,
das wir geplant haben,
damit wir das Leben finden,
das auf uns wartet.

Oscar Wilde


Aber nur wer auf alles gefaßt ist, wer nichts, auch das Rätselhafteste nicht, ausschließt, wird die Beziehung zu einem andren als etwas Lebendiges leben und wird selbst sein eigenes Dasein ausschöpfen. Denn wie wir dieses Dasein des einzelnen als einen größeren oder kleineren Raum denken, so zeigt sich, daß die meisten nur eine Ecke ihres Raumes kennen lernen, einen Fensterplatz, einen Streifen, auf dem sie auf und nieder gehen. So haben sie eine gewisse Sicherheit.
Und doch ist jene gefahrvolle Unsicherheit so viel menschlicher, welche die Gefangenen in den Geschichten Poes drängt, die Formen ihrer fürchterlichen Kerker abzutasten und den unsäglichen Schrecken ihres Aufenthaltes nicht fremd zu sein. Wir aber sind nicht Gefangene. Nicht Fallen und Schlingen sind um uns aufgestellt, und es gibt nichts, was uns ängstigen oder quälen sollte.
Wir sind ins Leben gesetzt, als in das Element, dem wir am meisten entsprechen, und wir sind überdies durch jahrtausendelange Anpassung diesem Leben so ähnlich geworden, daß wir, wenn wir stille halten, durch ein glückliches Mimikry von allem, was uns umgibt, kaum zu unterscheiden sind. Wir haben keinen Grund, gegen unsere Welt Mißtrauen zu haben, denn sie ist nicht gegen uns. Hat sie Schrecken, so sind es unsere Schrecken, hat sie Abgründe, so gehören diese Abgründe uns, sind Gefahren da, so müssen wir versuchen, sie zu lieben.

Rainer Maria Rilke; An Franz Xaver Kappus; Borgeby gård, Flädie, Schweden, am 12. August 1904


Von Ferne tönt der Glockenschlag,
Die Nacht, sie rauscht so dumpf daher.
Ich weiß nicht, was ich tuen mag;
Mein Freud´ ist aus, mein Herz ist schwer.

Die Stunden fliehn gespenstisch still,
Fern tönt der Welt Gewühl, Gebraus.
Ich weiß nicht, was ich tuen will:
Mein Herz ist schwer, mein Freud´ ist aus.

So dumpf die Nacht, so schauervoll
Des Mondes bleiches Leichenlicht.
Ich weiß nicht, was ich tuen soll...
Wild rast der Sturm, ich hör´ ihn nicht.

Ich hab´ nicht Rast, ich hab´ nicht Ruh,
Ich wandle stumm zum Strand hinaus,
Den Wogen zu, dem Grabe zu…
Mein Herz ist schwer, mein Freud´ ist aus.

Friedrich Nietzsche


Zum Mitleiden gab die Natur vielen ein Talent, zur Mitfreude nur wenigen. [Friedrich Hebbel (1813 – 1863)]


Alle Abendwolken wandern
still hinab durchs goldne Tor.
Lächelnd tritt nun aus dem andern
die verhüllte Nacht hervor.

In den Falten ihres Kleides
komm ich zu dir, tief versteckt.
Alle Zeichen meines Leides
hat ihr Leuchten zugedeckt.

Und sie neigt sich auf dein Lager,
während sie dein Traum begrüßt.
Hab ich heimlich und mit zager
Liebe deine Hand geküsst?

Ite Liebenthal (1886 - 1941)


Sie sind so jung, so vor allem Anfang, und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, lieber Herr, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.
Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen.
Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.

Rainer Maria Rilke; Briefe an einen jungen Dichter; An Franz Xaver Kappus, Worpswede bei Bremen, 16. Juli 1903.

 

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