
Scherenschnitt von Heidrun Schuchert
Weihnachtskarten
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Weihnachten
Nikolaus der Gute
kommt mit einer Rute,
greift in seinen vollen Sack -
dir ein Päckchen - mir ein Pack.
Ruth Maria kriegt ein Buch
und ein Baumwolltaschentuch,
Noske einen Ehrensäbel
und ein Buch vom alten Bebel,
sozusagen zur Erheiterung,
zur Gelehrsamkeitserweiterung...
Marloh kriegt ein Kaiserbild
und nen blanken Ehrenschild.
Oberst Reinhard kriegt zum Hohn
die gesetzliche Pension...
Tante Lo, die, wie ihr wißt,
immer, immer müde ist,
kriegt von mir ein dickes Kissen. -
Und auch hinter die Kulissen
kommt der gute Weihnachtsmann:
Nimmt sich mancher Leute an,
schenkt da einen ganzen Sack
guten alten Kunstgeschmack.
Schenkt der Orska alle Rollen
Wedekinder, kesse Bollen -
(Hosenrollen mag sie nicht:
dabei sieht man nur Gesicht...).
Der kriegt eine Bauerntruhe,
Fräulein Hippel neue Schuhe,
jener hält die liebste Hand -
Und das Land? Und das Land?
Bitt ich dich, so sehr ich kann:
Schenk ihm Ruhe -
lieber Weihnachtsmann!
Kurt Tucholsky
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Oh Tannenbaum...
Oh
Tannenbaum im dunklen Wald,
bald
wirst du abgestutzt.
Doch
freue dich, dann wirst du auch
gar
herrlich aufgeputzt...
Das
Lied mochte ich schon als Kind nicht.
Jedenfalls
nicht diese Strophe.
Warum
sollte sich eine Tanne freuen,
dass
sie gefällt wird?
Keiner
hat sie jemals gefragt.
Wird
ihr einfach untergeschoben.
Als
Gipfel der Anmaßung erschien mir
jedoch
Rilkes Adventsgedicht.
Beginnt
ganz friedlich. Mit Hirten,
getriebener
Flockenherde.
Und
dann kommt die Axt.
Wieder
mal soll sie frohlocken, die Tanne.
Diesmal,
dass sie fromm und lichterheilig wird.
Sie
streckt den weißen Wegen die Zweige hin - bereit.
Komm,
her, hack mich ab!
Bin
dann zwar tot, aber heilig.
Ja,
ja, ich habe auch einen Weihnachtsbaum.
Find
seinen Anblick auch wunderschön.
Aber
ich werde den Verdacht nicht los,
er
wäre viel lieber drauß im Walde geblieben...
©
Karin Rohner 2002 |
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